Yoga-Mythen Kletterer
ClimbingFlex Ilustration

4 Mythen über Yoga, die du als Kletterer nicht (mehr) glauben brauchst

Stefanie | 5. Februar 2017
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Yoga. Das ist die Frau aus der Jacobs-Balance-Werbung, die nach dem Kaffee-Trinken den Baum macht. Oder die Frau, die mit geschlossenen Augen nur da sitzt und nichts macht. Yoga ist eine Welt, die nicht zu meiner Welt passt. Dachtest (oder denkst) du das auch über Yoga?? Ich früher ja! Und wie überrascht-schockiert war ich in meiner allerersten Yoga-Stunde in 2005.

Mit Yoga habe ich angefangen, weil ich 2005 einen Ausgleich zum Sitzen mit minimalem Zeitaufwand haben wollte. Typisches Aufwand-Nutzen-Denken.

Unter Yoga hatte ich mir damals nicht viel vorgestellt. Eine (zu) sanfte Wellness-Aktivität. Die besagten meditierenden Frauen. Alle lächeln und freuen sich.

Yvi, eine gute Freundin, und ich hatten uns trotzdem mal zu einem Yoga-Kurs an der Volkshochschule angemeldet. Zu einem Kundalini-Kurs. Was Kundalini genau war, wusste ich damals nicht. War mir aber auch egal, weil mir der Kurs am besten in meinen Zeitplan gepasst hatte.

Die erste Stunde: ein ziemlicher Schock

Mit zwei Sachen hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

#1: dass wir Kursteilnehmer (die meisten alle in weiß) mit der Lehrerin dort am Anfang und Schluss wirklich singen würden. Woher bitte kannten die alle (außer Yvi und mir) die Texte??

#2: dass es sauanstrengend werden würde! Von wegen nur Entspannung ...

Dann kam ich auch hinter das Kundalini. Ein Stil mit viel Atemtechniken, Mantren und Energiearbeit. Hätte ich das vor der ersten Stunde nachgelesen, wäre ich nicht so irritiert gewesen. Ein Erlebnis war es aber auf alle Fälle. 🙂

So viel zu meiner ersten Yoga-Erfahrung.

Vorurteile sind normal.

Oder neutraler ausgedrückt: Vorstellungen. Wir alle haben sie. Manchmal stimmen sie. Manchmal aber auch nicht.

Meine Vorstellungen zu Yoga haben definitiv nicht gestimmt bzw. waren nur auf einen kleinen Aspekt vom Gesamtbild gerichtet.

Als wir mit ClimbingFlex gestartet haben, damals in 2012 noch unter Con Todo, hätten wir nach paar Monaten fast aufgehört. Die Einstellungen waren bei vielen (gefühlt allen) Kletterern so skeptisch, dass wir dachten, wir würden uns hier nur die Zähne ausbeißen.

Mythen existieren immer noch

Mittlerweile hat sich das erfreulicherweise stark geändert. Einige Vorstellungen halten sich trotzdem noch wie feste Mythen bei vielen Kletterern.

Bei manchen muss ich grinsen, weil ich da an mein früheres Selbst erinnert werde. Du auch?

Hier sind die häufigsten 4 Mythen, die Kletterern oft einfallen ... und denen du wirklich keinen Glauben schenken brauchst:

  1. "Für Yoga müsste ich beweglich sein."
  2. "Yoga ist mystisch."
  3. "Yoga ist etwas für Frauen, Hippies und Softies, nicht für harte Kerle wie mich."
  4. "Ich mach schon so viel. Yoga braucht Zeit, die habe ich nicht."

#1 "Für Yoga müsste ich beweglich sein."

Kein Wunder, wenn auf Instagram und in Yoga-Zeitschriften krasse Verbiegungen mit Zirkus-Charakter gezeigt werden.

Kann sein, dass so eine krasse Verbiegung der Person gerade Spaß macht und sie sich darin voll lebendig fühlt. Ich find's aber meistens einen Tick zu sehr in Szene gesetzt.

Und es entsteht zu sehr der Eindruck "das ist also Yoga ... da komme ich nie hin. Also, warum sollte ich es überhaupt ausprobieren? Das wird eh nur eine Blamage. Und Spaß macht's sicher auch nicht."

Den Gedanken kann ich voll nachvollziehen.

Aaaaber.

Wenn du dich sowieso schon unbeweglich fühlst, wird es garantiert nicht besser, wenn du nichts machst, stimmt's? 😉

Klettern mit Beweglichkeit Yoga Los Condores, Chile
Nicht in allen, aber in vielen Routen hast du mit mehr Beweglichkeit nicht nur mehr Reichweite und Optionen. Du hast auch mehr Stabilität und einen ruhigeren Kopf, weil du deine wertvolle Energie nicht mehr für das Beweglichkeitsproblem verschwenden musst. Klettern im eindrucksvollen Valle de Los Condores, Chile.

Wenn ich zum Beweglichkeits-Mythos sage "Das ist der beste Grund, um anzufangen", folgt entweder ein verlegenes Grinsen oder wie letztens bei einer Kletterin ein betretenes Schweigen.

Aber es ist so. Du gehst ja auch nicht als Kind zur Schule und sagst "ich müsste eigentlich schon lesen, schreiben und rechnen können".

Es ist ein Prozess.

Und auch wenn du von dir glaubst, du bist der stocksteifste Kletterer auf der Welt ... es gibt immer Haltungen und Übungen, die dir einen Sprung nach vorne geben. Du musst dir ja nicht gleich die schwierigste Beweglichkeits-Haltung aussuchen. Starte mit etwas Machbarem.

Yoga für Kletterer - Yoga Petzl RocTrip
Dieses Bild erinnert mich daran, wieviel Spaß wir bei den Morning-Yoga-Sessions auf dem Petzl RocTrip in Rumänien hatten. Mit einem Helm und unserer Yoga-Reisetasche als Hilfsmittel funktioniert die Haltung für Alexander und Chris - besser, als sich mit verkniffenem Gesicht in die Haltung zu quälen. 🙂

#2 "Okay ... aber Yoga ist mystisch."

Das war das Carlos-Argument. 🙂

Carlos hatte Yoga damals sehr misstrauisch beäugt, weil es mit der ganzen Meditation und so "zu mystisch" sei. Mit unserem Freund Andresito hatte er in einem Ashtanga-Kurs dann aber doch eine Menge Spaß und sich dafür begeistert.

Ich persönlich denke auch, dass ich lieber erstmal meine Basics meistere, anstatt mich mit dem Weg in die Glückseligkeit zu beschäftigen und mich in "weltlichen" Dingen und Zwischenmenschlichen aber total danebenbenehme.

Trotzdem gibt es natürlich einen großen Unterschied zwischen reinem Stretching und Yoga.

Die Frage ist:

Was ist für dich mystisch?

Ist es für dich mystisch,

kurze Meditation auf dem Crashpad mit Blick auf den Ozean
Sitzen (oder liegen) und für einen Moment das Gedankenkarussell zur Ruhe bringen. Die Umgebung um dich herum wahrnehmen. Ist das mystisch? Für mich nicht. Für manche ja, weil es für sie normal geworden ist, beschäftigt zu sein und im Vorher/Später zu leben, aber nicht im Jetzt.

Mein Ziel: Yoga nicht abstrakt, sondern leb-bar machen.

Jede Yoga-Richtung ist etwas anders. Und jeder Lehrer macht die Stunden auch anders.

Alexander aus Wien, der bei uns im Online-Yoga schon von Anfang an dabei ist, hat uns auf dem RocTrip etwas gesagt, was für mich ein Volltreffer war.

"Bei euch finde ich, dass ihr das Yoga für den Kletterer wirklich leb-bar macht. Für den Alltag und nicht fürs Kloster."

Hat mich voll gefreut, weil ich dabei gemerkt habe, dass genau das mein Ziel ist. Ich will Yoga nicht abstrakt machen und den Guru spielen.

Nichts gegen die alten Schriften und das ganze wunderbare Wissen zu Yoga. Aber ich will die Kletterer dort abholen, wo sie gerade sind, egal ob Online, im Workshop oder Yoga-Stunden.

Ich will ihnen etwas an die Hand geben, was für sie funktioniert. Dass sie gefordert werden und einen Schritt über sich hinauswachsen. Und dass sie sich nicht nur "ganz gut", sondern stark, energiegeladen und ausgeglichen fühlen.

Ich könnte hier noch ewig weiterschreiben ... aber um diesen Mythos zu Ende zu bringen, nur noch so viel:

Yoga kann natürlich mystisch sein. Muss es aber nicht. Manchmal gibt's Dinge, die irritieren und an die du dich vielleicht nie gewöhnen wirst, weil es dir einfach nicht gefällt. Dann probier mehrere Stile und Lehrer aus, bis du das findest, was für dich funktioniert.

#3 "Yoga ist etwas für Frauen, Hippies, Softies, nicht für harte Kerle wie mich."

Ich hatte mich nicht als harte Frau gesehen. 😀 Aber dieses Vorurteil hatte ich absolut! Ich hatte mich nicht mit der Gruppe identifiziert, von der ich dachte, dass sie Yoga macht.

Aber hey, ich bin froh, dass ich dieses Schubladen-Denken zu Yoga hinter mir gelassen und mich zum Kurs einfach mal angemeldet hatte! Auch wenn die Kurserfahrung in Bezug auf die Personen mein Schubladen-Denken erst einmal verstärkt hatte, hatte ich gemerkt, dass es anstrengend ist und mich weiterbringt auf meinem Weg zu mehr Stärke, Kraft und Konzentration.

Yoga BoulderSide Chaturanga
Puh, anstrengend!! Wenn du weniger die Entspannung oder Konzentration im Yoga suchst, findest du genügend Möglichkeiten, um deine Kraft, Körperspannung und dein Durchhaltevermögen zu steigern. Auch das ist für mich wichtig im Yoga, weil Übungen für einen starken Körper auch den Kopf stärken.

Letztendlich sind die anderen total egal.

Hier geht's nur um eine Person. Um dich.

Mach deine Aktivitäten und deinen möglichen Fortschritt nicht von anderen abhängig.

Du hörst ja auch nicht mit dem Klettern oder Bouldern auf, weil du die Leute oder die Stimmung in deiner Kletter- oder Boulderhalle unsympathisch findest, oder? Es gibt immer Möglichkeiten.

Noch etwas zu den Softies, weil ich finde, dass da ein Körnchen Wahrheit drinsteckt.

Macht Yoga sensibel?

Ich glaube schon. Oder wie Stefan, einer meiner Yoga-Schüler, es nennt: empfindsamer.

Du merkst mit einer regelmäßigen Yoga-Praxis schneller,

Ist das schlecht?

Finde ich nicht.

Manchmal vielleicht etwas "unbequem", weil zum Beispiel dein inneres Selbst dir sagt "du bist doch nicht glücklich in diesem goldenen Käfig. Häng den Job an den Nagel und starte endlich dein eigenes Projekt, von dem du immer geträumt hast."

Oder: "Du sagst zu oft ja. Sag nein. Zieh die Grenze."

Was erstmal unbequem scheint, ist fast immer ein Türöffner zu mehr Selbstrespekt, Gesundheit, Energie und Freude. Wer will schon wirklich ein fades Zombie-Leben, das "ganz okay" ist, mehr aber auch nicht?

#4 "Ich mache schon so viel. Jetzt auch noch Yoga? Dafür habe ich keine Zeit."

Das Zeitproblem kenne ich auch sehr gut. Ich frage mich oft, wie ich das bloß alles machen soll.

Aber hier ein kleines Geheimnis: Yoga "verbraucht" keine Zeit. Es gibt dir Zeit.

Natürlich musst du ein paar Minuten investieren. Aber das Gefühl, das du danach hast, verändert dein Zeitgefühl:

Stefanie, Yoga nach dem Klettern in Valle de los Condores Chile
Das Valle de los Condores liegt auf etwa 2000 Metern Höhe und ist für mich ein Ort, der eine besondere Atmosphäre hat. Nach dem Klettern hatte ich Lust, noch ein paar Yoga-Haltungen zu machen. Diesmal keinen Ausgleich zum Klettern wie sonst, sondern fordernde Haltungen, in denen für mich mal kurz die Zeit stehen bleibt.

Du brauchst nicht mehrmals die Woche in einen Kurs gehen, um Yoga zu machen.

Zuhause funktioniert es auch, oder in der Kombi Kurs + Zuhause.

Und du bekommst all die Wirkungen auch, wenn du nicht 90 Minuten, sondern 10, 20 oder 30 Minuten auf die Matte gehst. Es kommt ganz auf die Haltungen und die Qualität deiner Atmung an.

Fazit

In den Mythen steckt für mich sicher ein Körnchen Wahrheit drin, das aber nicht das komplette Bild widerspiegelt. Für mich sind die Mythen wie Scheuklappen. Die blenden alles Wunderbare aus, das durch die Praxis auf der Matte entsteht.

Wie bei vielen anderen Sachen gibt's bei Yoga kein Schwarz-Weiß, sondern viele Graustufen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich eine eigene Yoga-Praxis aufzubauen, die dir genau das gibt, was du am meisten brauchst. Es geht nur um eine bewusste Entscheidung und dann: machen.

PS: Heute übe ich den Kundalini-Stil sehr gerne, weil er für mich ein Sprungbrett zu mehr Durchhaltevermögen und mentaler Ausdauer ist. So können sich die Meinungen ändern. 😉

Was denkst du zu den Mythen? Findest du deine damalige oder heutige Sicht zu Yoga in einem wieder?

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