Kletter-Yoga-Retreat: Auszeit für harte Brocken
Stefanie | 9. April 2018
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Früher wäre ich wahrscheinlich nie auf ein Retreat gefahren. Auch Kletter-Yoga-Retreat hört sich zu sehr nach Wohlfühlen an. Umso interessanter fand ich es, dass unser eigenes Kletter-Yoga-Retreat Anfang März in Spanien in eine andere Richtung ging als meine ursprünglichen Vorstellung von so einem Retreat. Es war ein bisschen wie eine Auszeit für harte Brocken.
Mit Kris und Tony von Costa Vertical haben wir ein Kletter-Yoga-Retreat im malerischen Sella organisiert. Von Freitag bis Dienstag. Eigentlich nicht lang. Dennoch war die Zeit gefühlt intensiv und fantastisch.
Das lag nicht nur am Ort und Klettern, sondern auch an unserer kleinen, persönlichen Gruppe: Caroline, Stina und Alex kamen alle aus unterschiedlichen Ecken von Deutschland. Bis auf Tony und Carlos also nur Mädels, die sich vorher noch nie gesehen hatten. Alle aufgeschlossen, motivierte Frühaufsteher, unerschrocken. Perfekt für unser Vorhaben.
Sella: ein verschlafenes Bergdorf in atemberaubender Kulisse
Sella liegt an der Costa Blanca, bei Alicante. Wenn du dort ankommst, erstreckt sich das Dorf inmitten von mächtigen Felswänden.
Die unglaubliche Ruhe tut gut. Vor allem nach ein paar Tagen im lauten, hektischen Madrid. Hier in Sella wirken die kleinen, malerischen Gassen verschlafen.
Der einzige Ort, wo es laut zugeht, ist ... genau, in den Bars.
Perfekt für ein Kletter-Yoga-Retreat: ankommen und erstmal durchatmen.
Sella ist der perfekte Ort für unser Kletter-Yoga-Retreat.
Nicht nur wegen dem Klettern. Sondern auch um innerlich anzukommen und erstmal durchzuatmen.
Den Alltag hinter dir lassen. Den Kopf frei machen fürs Klettern.
Das finde ich wichtig, vor allem, wenn dein Alltag mit Arbeit, Verpflichtungen, Klettern, anderen Freizeitaktivitäten, Freunden und so weiter so aussieht, als ob du den Fuß dauernd am Gaspedal hast. Stress wirkt sich negativ auf die Leistung und den Spaß beim Klettern aus.
In Sella bleiben wir im Roc House, ein liebevoll eingerichtetes Ferienhaus für Kletterer. Wir fühlen uns gleich wie daheim.
"Ihr habt hier echt einen Hausfels?!"
Bevor wir am ersten Tag alle zusammentreffen, fahren Carlos und ich zu Kris und Tony, die etwa eine Viertelstunde vom Roc House in Sella wohnen. Wir sind hin und weg. Die Sicht auf Sella und auf die umliegenden Felswände ist wunderschön!
Dann sehen wir, dass Kris und Tony auch noch einen ganzen Sektor direkt hinter ihrer Haustür haben, wo wir die nächsten Tage klettern. Wie geil ist das denn?!
Herrlicher Kalkstein mit großen Taschen, Henkeln, Fingerlöchern. Top abgesichert und zu dem Zeitpunkt fast neu.
Kris und Tony haben sich mit der Erschließung viel Mühe gegeben. Ich kann mich nur an wenige Sektoren erinnern, wo ich so viele Genussrouten geklettert bin.
Ich finde das toll, dass andere Kletterer dort auch willkommen sind. Schließlich ist es Privatgelände und die Routen erschließen und sanieren kostet auch was.
Yoga zum Wachwerden und "Yoga-Snacks"
Unser Yoga-Programm beim Retreat: Fokussiert und nicht zu lange, aktivierend und leicht fordernd am Morgen und vor dem Klettern, wohltuend nach dem Klettern.
Jeden Morgen um 07:30 Uhr sitzen wir gähnend auf der Yoga-Matte im Wohnzimmer.
Feueratmung, Gleichgewichtshaltungen und längeres Halten in den Standhaltungen sind am Morgen angesagt. Nach einem langen Abend kostet es Überwindung, früh aufzustehen. Das Gefühl danach ist aber klasse.
Bei den "Yoga-Snacks" vor und nach dem Klettern sind Kris und Tony auch dabei. Eine der schönsten Yoga-Momente ist in der Abendsonne auf der Terrasse von Kris und Tony, mit der Sicht auf die Felswände. Unglaublich, wie sehr der Körper und der Kopf in diesem Moment runterkommen können.
Carlos sagt, dass das Yoga beim Retreat wie bei unseren MeetUps einen schönen Rahmen und ein Gemeinschaftsgefühl gibt. Beim Klettern teilen wir uns in kleine Gruppen auf, beim Yoga kommen wir wieder zusammen. Sich gemeinsam Zeit für das Aufwärmen und Cool-Down zu nehmen, macht es viel schöner als allein.
Was bleibt beim Klettern in Erinnerung?
Auch wenn die Genussrouten echte Sternchen waren - ich glaube, was uns allen mehr in Erinnerung bleiben wird, sind 2 Sachen, die nichts für schwache Nerven sind.
Wind, Temperatursturz, oder: "Norwegen-Feeling"
Am Anfang und zum Schluss hatten wir wunderbare Sonne und T-Shirt-Wetter. Wie du das eben von Spanien erwartest.
Zwischendurch hat sich das stark geändert. Saukalt und ein starker Wind, vereinzelt Regen. Irgendwann machen wir Witze darüber, dass das ein "Norwegen- oder Patagonien-Camp" sei.
Wollen wir bei dem Wetter echt weiterklettern?
Ja.
Mir gibt der Wind das Gefühl, ich müsste mit doppelt so viel Kraft klettern, sonst fliege ich aus der Route raus. Eine zusätzliche Schwierigkeit, mit der ich nicht gerechnet hatte und die mich viel Energie kostet.
"Ihr habt echt Pech", meint Kris. "So etwas haben wir fast nie um diese Jahreszeit!"
Und klar, das Sturztraining!!
Retreat und Sturztraining. Irgendwie ein Widerspruch.
Insgeheim denke ich für einen Moment, dass wir das vielleicht "vergessen" und einfach weiterklettern. Aber wenn es schon im Programm stand, heißt es wohl durchziehen ...
Beim Sturztraining zieht dann noch der Wind stark auf und verstärkt das "Norwegen-Feeling" und die Dramatik.
Tony und Kris schlagen eine entspanntere Methode vor, die dann doch nur ich ausprobiere:
Bei den ersten Stürzen sowohl im Vorstiegs- als auch im Toprope-Seil eingebunden zu stürzen. Das hatte ich noch nie gemacht.
Mental finde ich es entspannter, aber es ist wichtig, auf das untere Vorstiegsseil zu achten. Ich bin vor dem ersten Sturz zu weit hoch und habe mich dann leicht verheddert, weil ich nicht auf das Vorstiegsseil geschaut habe.
Die anderen Stürze kosten mich dann etwas Überwindung. Genau deshalb sind sie so wichtig.
Ich bewundere Kletterer, die kein Problem mit dem Stürzen haben (höchstens das Ego). Ich hatte tierisch Angst davor. Mit der Atmung, präzisen Bewegungen und effizientem Krafteinsatz habe ich die Sturzangst mittlerweile meistens im Griff. Yoga für mehr Durchhaltevermögen hat bei mir wahre Wunder bewirkt.
Manchmal kommt die Nervosität trotzdem durch. Deswegen ist es wichtig, immer wieder mal zu stürzen, um es nicht zu verlernen.
"Was du am meisten brauchst, ist jemand der dich dazu bringt, das zu machen, zu dem du fähig bist."
Ich weiß nicht mehr, von wem dieser Spruch stammt. Ich habe mich beim Retreat daran erinnert.
Kris und Tony sind klasse Klettertrainer.
Sie haben Genussrouten ausgesucht und solche Routen, die uns alle mal aus der Komfortzone gebracht haben - mehr, als wenn jeder von uns für sich hierher in Kletterurlaub gekommen wäre.
Bei all dem haben sie immer eine große Portion Sicherheit, Klarheit und Geduld ausgestrahlt. Ein ganz wichtiger Punkt. Gerade beim Thema Stürzen und Vorsteigen kannst du dich so schnell unter Druck setzen und dir das Klettern damit vermiesen. Das ist es nicht wert.
Ruhetag mit Churros und Strand
Wir bleiben alle ein paar Tage länger. Der letzte offizielle Tag am Dienstag ist unser Ruhetag. Yoga am Morgen, Churro-Frühstück, Spaziergänge am Strand, Tapas genießen, abends in die Dorfbar.
Die Kombination aus Fels und Meer ist klasse. Auch wenn es diesmal noch zu kalt zum Baden war, am Strand entlang zu laufen und das Meer zu hören ist herrlich. Zum Klettern hat es (bis auf den Wind) super gepasst. Im Sommer ist es zu heiß zum Klettern und der Strand ist voll.
Fazit zum Kletter-Yoga-Retreat im Frühjahr
Sella ist ein fantastischer Kletterspot mit Routen, die du unbedingt mal kennenlernen musst. Das Dorf versprüht einen Charme und es fühlt sich an, dort zu leben, anstatt ein Touri zu sein.
Dadurch, dass unsere Gruppe so persönlich war, hat sich das angefühlt, als ob wir uns schon lange kennen würden. Wie gute Freunde, meinte Stina. Wir haben zusammen lecker gekocht, viel gelacht und tolle Gespräche gehabt.
Yoga und Klettern ist eine klasse Kombination. Noch besser als einen reinen Kletterurlaub, finde ich. Der Hauptfokus liegt bei so einem Kletter-Yoga-Retreat auch auf dem Klettern. Der Yoga-Teil hilft aber ungemein, sich sowohl körperlich als auch mental besser aufs Klettern vorzubereiten und sich schneller zu regenerieren.
Es ist auch eine spannende Erfahrung, mit einem Trainer zu klettern, der dich fordert und gleichzeitig unterstützt. Als erfahrener Kletterer kommt schnell ein Gedanke wie "das brauche ich doch nicht".
Es hilft aber, sich mehr zu trauen. Oder mit konkretem Feedback die Technik zu optimieren. Davon abgesehen ist es praktisch, einen "Local" zu haben, der die schönsten Routen kennt (oder in diesem Fall selbst geschraubt hat).
Ich freue mich jedenfalls unglaublich auf unser nächstes Kletter-Yoga-Retreat, das wir für Herbst angesetzt haben! Vielleicht sehen wir uns dort?